10 überraschende Beobachtungen auf einem britischen Musik-Festival | @READING 2015
Letztes Wochenende waren wir – also mein Mann und ich, aber ohne unseren kleinen Mann (Premiere!) – auf einem Musik-Festival in England. Und zwar auf dem READING 2015 nahe der gleichnamigen Kleinstadt, ca. eine Stunde von London entfernt. Kaum zu glauben, dass ich letzten Sonntag ungefähr um diese Zeit gerade eine Wahnsinnsstimmung bei Frank Turner genossen habe und dann einen legendären Auftritt von The Libertines… *schwelg…*
Als Mitbringsel habe ich 10 überraschende Beobachtungen gesammelt. Hat zwar nicht so viel mit Kreativität zu tun, aber was „Neues“ sehen und sich mal überraschen lassen ist ja immer gut, um den Geist offen zu halten und vielleicht irgendwelche Inspirationen zu bekommen. *lach* Muah… mühsame Brücke… Hach, ehrlich, es war einfach ein HAMMER Festival und ich will mit euch ein paar Impressionen teilen, weil ich so irre begeistert bin und jetzt so viele tolle neue Bands höre. *grins*
Seit 1971 gibt es das Reading Festival. Damit ist es angeblich das älteste, existierende Musikfestival der Welt. 1991 kam das Parallel-Festival in Leeds dazu. Ähnlich wie bei Rock am Ring und Rock im Park spielen die gleichen Line-Ups an demselben Wochenende auf beiden Festivals. Musiktechnisch steht ROCK ganz groß da, mit vornehmlich Nuancen in Richtung Indie, Alternative und ein bisschen Hard Rock. Dieses Jahr waren 233 Bands da, sprich es gab über 200 Konzerte an drei Tagen auf 7 Bühnen live zu sehen. Irre für jeden, der Live Musik und Konzerte liebt! Neben großen Namen (z.B. Mumford & Sons, Metallica, The Libertines) kommen vor allem auch viele Newcomer Bands, wodurch man so ein bisschen das Gefühl hat, man wäre in einer Sneak Preview und würde die angesagtesten Rock-Bands der Insel (und auch weltweit) kennen lernen, bevor sie irgendwann main stream werden. Ach ja, es war nicht leicht herauszufinden, aber wenn ich es richtig recherchiert habe, kommen pro Tag ca. 80.000 Besucher aufs Gelände.
So sieht dann dieses gigantische Spektakel aussieht, hier ein Bild von einem “ganz normalen” Konzert auf der Main Stage (hier: Bastille).
Aber hier zur Unterhaltung meine “interessantesten” Beobachtungen beim READING 2015:
1| Alle sind textsicher. Alle singen mit.
Auch und vor allem die Männer, so dass es oft diese sehr starke, “powerfulle” Untermalung gibt. Ich glaube, allgemein spielen die Lyrics in Großbritannien eine viel größere Bedeutung als bei uns. Es versteht ja auch jeder die Texte. Und wenn man da schon mitsingt, dann will man da auch (zumindest im Großen und Ganzen) dahinter stehen. Also, Lyrics und Textsicherheit: Top!
Das Konzert von Frank Turner. Wahnsinn! Wie die Menge mitgesungen hat. Ich würde ja sagen, gegrölt, so laut war es, aber eben doch auch richtig gesungen, nicht einfach nur geschrien. Wie dieser Typ ca. 5.000 Leute alleine nur mit seiner Gitarre und seiner Stimme begeistert hat, WAHNSINN!
2| 80% der Besucher tragen „wellies“, die übrigen 20% finden dies wiederum total kacke
Schon ein paar Tage vor dem Festival, bekamen wir vom Veranstalter Warn-E-Mails, das es mehrere Tage lang geregnet hätte, das Gelände total nass sein und mehr Regen fürs Wochenende erwartet werde. Oh Yeah! Da war doch was, ach ja, das Wetter auf der Insel… schien also sehr schlimm zu werden. Also, ich schnell noch die einzigen Gummistiefel besorgt, die ich in meiner Größe in der Kölner Innenstadt finden konnte. Und so lief ich das erste Mal seitdem ich ca. 12 Jahre war, für 3 Tage in Gummistiefeln rum.
Genauso wie ca. 80 % der Besucher. Witzigerweise waren aber auch immer wieder einige Hartgesottene strikt gegen Gummistiefel und so kamen unsere Gespräche mehrmals darauf, dass mein Mann ja keine “Wellies” tragen würde (“great, man”) und ich schon “hey, wellies suck”. Aber alles ganz freundlich und lustig.
Ach ja, naTÜRlich waren “wellies” die absolut sinnvollste Variante an Schuhwerk, wenn man sich das Campinggelände mal ansieht. Aber dank dem Auslegen von sehr viel Mull (heißt doch Mull, dieses getrocknete Zeug, oder? Müll gab’s aber auch) gibt es auf dem Festivalgelände aber echt gut.
3| “Fuck” ist das populärste Wort auf der Bühne – immer
Das allseits populärste Wort auf britischen (Rock-)Bühnen scheint „fuck“ zu sein, egal welcher Künstler. Ob harter Typ oder schwangere Stand-up Comedian Lady, alle sagten immer und ständig “fuck”. Ich glaub, das gibt so ein bisschen die „stage credibility“ *zwinker*
Hier die schwangere Comedian Lady Holly Walsh mit ein paar (nackten) durchgeknallten Franzosen auf der Bühne.
4| Der Festival Look – auf jeden Fall Hippie!
Ob sich das ganze Hippie-Zeug seit Woodstock bei Festivals gehalten hat? Blumen im Haar, geflochtene Zöpfe (die ich mir dann natürlich ab Tag 2 auch gemacht habe und mich noch mehr wie ungefähr 12 Jahre alt fühlte), Batik-T-Shirts, Ponchos, und natürlich der süße Geruch von Tüten immer und überall.
5| Britische Mädels tragen am liebsten Hot Pants – und zwar jedes
Ist ja ein Vorurteil, das man schon häufiger gehört hat. In Reading habe ich auf jeden Fall unzählige Male die Bestätigung gesehen. Ehrlich! Aber irgendwie auch cool. Ein gutes Selbstbewusstsein haben die Mädels! Und ja, wenn man wohl in einem Land lebt, in dem man Ende August (quasi noch Sommer) bei 16-18 Grad und Regen Festivals feiert, dann muss man wohl hartgesotten sein und Hot Pants tragen zu dem Parka, Poncho oder Regencape. Immerhin – durch die freien Beine kann man nämlich immer sehen, ob sich unter dem Parka, Poncho oder Regencape eine Frau oder Mann verbirgen. So gesehen sind die Hot Pants vielleicht schlicht ein Teil der femininen Garderobe, um eben zumindest ein bisschen Weiblichkeit zeigen zu können. Nach dem Motto: ey, sch… aufs Wetter, ich will zeigen, wer ich bin und was ich habe”.
haha… ich sehe gerade, hier hat auch ein Typ ausnahmsweise eine sehr kurze Shorts an. Die meisten Männer hatten so knielange Shorts an wie der Typ rechts in Wellies. Aber na gut.
6| Britisches Schlange Stehen macht’s voll chillig
Ehrlich, dieses Schlange Stehen der Briten ist toll! Es macht die gesamte Stimmung einfach noch entspannter. Kein Gedränge, keine Aggro-Sprüche. Wenn man sich anrempelt, entschuldigen sich beide Parteien überschwenglich. Außerdem nicht dieses permanente Nach-vorne-Drängeln zur Bühne, wie es bei Konzerten in Deutschland manchmal das gesamte Konzert über geht. Nö, wenn man zu spät dran ist, steht man halt weiter hinten. Ja, klar, gehen ab und zu mal Leute nach weiter vorn durch. Aber es hält sich echt in Grenzen und insgesamt steht man auch viel lockerer rum, so dass Platz bleibt zum Tanzen und allegemein auch Atmen (habe schon viele Konzerte erlebt, wo sich alles so zudrängt, dass man kaum noch Luft bekommt). Insgesamt waren alle mega entspannt. Ich glaub, diese Schlange-Stehen-Kultur hatte auch seinen Anteil daran.
Hier z.B. entpanntes Anstehen an einer top organisierten Bar. 30 Leute vor mir? Kein Problem. Ich hab mein Bier ja trotzdem in 5 Minuten und ohne jeden Stress. Top!
7| Starallüren bei Metallica? Nicht doch!
Das Metallica-Management benötigt ein eigenes Dixie-Klo – neben dem Lichttechnik-Turm gegenüber der Main Stage… ?
8| Das Reading Festival als Familienausflug – why not?
Erstaunlich viele Kinder waren in Reading am Start. Und ich meine jetzt nicht die 15-19-jährigen, die einen Großteil der Besucher ausgemacht haben. Sondern echt Eltern mit ihren Kindern – jeden Alters. Habe Babys gesehen, in Tragesystem oder im Buggy, aber besonders viele so ca. 10-12-Jährige – die total mitfeierten. Ich frage mich, ob es entweder Familien sind, bei denen die Eltern total auf Musik stehen (die Eltern sahen aber alle voll normal aus, keine Rocker oder so – oder nur einige) oder vielleicht liegt es daran, dass insgesamt Rock und Live Musik einfach noch mehr Bedeutung für die Briten haben. Das ist zumindest mein Eindruck gewesen. Find’ ich cool. In 10 Jahren (spätestens) nehmen wir unseren Kleinen auch mit!
9| Insgesamt ein durchaus gemischtes Publikum
… wobei man mit über 30 schon definitiv zum älteren Drittel gehört – aber witzigerweise kam es mir so vor, dass während am Freitag noch gefühlt 50% der Besucher im Teenager-Alter waren, ließ das mit den weiteren Tagen nach. Entweder weil die „Älteren“ eben nicht mehr campen und dann nur am Samstag oder Sonntag tagsüber kommen oder weil die „Teens“ am Freitag es derart übertrieben haben, dass sie Samstag schon nur noch gegen Abend aufs Gelände konnte… Dunno. Aber insgesamt ein lustiges “crowd”!
10| Ich liebe den britischen Humor
OK, das war keine Überraschung, sondern nur eine Bestätigung. Aber trotzdem… Als mein Mann sich einmal umdrehte, um den farbenprächtigen Sonnenuntergang mal kurz zu fotografieren, fragten ihn die Leute hinter ihm an der Bar, was er fotografieren würde. “The beautiful sunset”. “The sunset? Don’t you want to take a picture of a beautiful couple instead?” fragten sie, legten die Arme umeinander und setzten ihr Foto-Grinsen auf. Cool!
Und hier eine viel lustigere Idee anstatt schlafenden Freunden Schnurrbärte zu malen:
Man beachte die Pommes zwischen den Fingern. *lach*
Warum überhaupt nach England auf ein Festival? Weil die Insel die Mutter des Rock ist und die besten Bands es erstmal in Großbritannien schaffen müssen – und viele einfach von dort kommen. Ich bin totaler Indie und Alternative Fan und das war mein Weihnachtsgeschenk. Mega geil! (Das muss ich jetzt einfach mal schreiben. *lach*) Also, wer auch eine Freundin oder Frau hat, die voll auf Musik steht, für den wär’ das vielleicht eine Idee für Weihnachten… Die ersten Tickets für nächstes Jahr sind für Reading und Leeds schon in den Verkauf gegangen. Und wir sind stark am Überlegen, ob wir jetzt schon zuschlagen.
Tja, schöne Bilder und alles gut, aber äh… war das nicht ein Festival? Was war in Sachen Musik los?
Oh, es waren hervorragende Bands. Insgesamt wie gesagt 233, von denen wir vielleicht so 30 gesehen haben. Und mega, mega cool! Aber… ich glaub, daraus mache ich die Tage noch einen weiteren Post, denn das sprengt heute den Rahmen. Also, bitte gerne wieder vorbei schauen.
Liebe Greetz
Silja
One Comment
Susanne Sieg
Hey, klingt super! Jetzt will ich da auch mal hin.