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Teil 3: Den Kopf austricksen

Eine zentrale Übung, um die eigene Einstellung zur Kreativität in eine bestimmte, positive Richtung zu beeinflussen, nennt sich die Arbeit mit positiven Affirmationen (Sätze, Glaubenssätze). Dies war übrigens auch ein Thema der ersten Woche meines Kurses von „Der Weg des Künstlers“.

Im Grunde genommen geht es folgendermaßen: 

Man macht eine Liste von all den negativen Annahmen, die man über sich und seine eigenen Fähigkeiten hat. Einfach mal den inneren Kritiker erzählen lassen. Man kann ihm auch ganz toll auf die Sprünge helfen, indem man eine waghalsige für ihn absolut nicht nach empfindbare Behauptung raus haut. Am besten noch auf ein leeres Papier schreibt. z.B.
Ich bin eine höchst talentierte Künstlerin und sprühe nur so vor Ideen.
Na, da grummelt es doch schon und jetzt schnell aufschreiben, womit er um die Ecke kommen mag:
„Was? Du? Quatsch! Im Leben nicht. Wie kommst du darauf? Du kannst ja noch nicht einmal einen schönen Kreis zeichnen. Und was hast du denn schon mal echt künstlerisches produziert? Die Bilder, die du da mal gemalt hast, sehen doch aus wie von einem Kind gemalt.“ Usw. Glaubt mir, da kommen echt fiese Sachen hervor. Beim ersten Mal war ich schockiert, dass ich so fies zu mir sein kann. Zu keinem anderen Menschen habe ich jemals solch gemeine Dinge gesagt.

Das Wichtige: man muss echt zuhören. Nicht nur geschehen lassen, oder wegschieben und einer anderen Tätigkeit nachgehen (dann geben wir ihm nämlich Recht), sondern zuhören und mitschreiben. Nur dann wird einem bewusst, wie gemein und hart man zu sich selbst ist. Wenn man die Sätze später noch einmal liest, muss man manchmal lachen, wie irrwitzig und dann eben doch weit hergeholt die sind. Ist zumindest bei mir so.

Gut ist es auch, wenn man den inneren Kritiker ganze Sätze bilden lässt. Ruhig mal Rückfragen stellen: „Warum glaubst du das?“
Ja, ich weiß, das klingt ein bisschen nach Selbstgespräch. Ist es auch. Aber das ist gut so. Also, warum glaubst du, dass das Quatsch ist?
„Weil du noch nie ein Bild verkauft hast. Du hast die höchstens mal verschenkt. Echte Bilder werden von Leuten gekauft, die dafür bereit sind Geld zu zahlen.“ lautet hier die Antwort meines inneren Kritikers.

Dann versehen wir das Ganze mit einer Überschrift: negative Affirmationen.

Jetzt nehmen wir ein neues Blatt und überschreiben dies mit „Positive Affirmationen“.
Auf diesem nehmen wir uns Satz für Satz vor und kehren ihn in sein Gegenteil um.

„Du kannst ja noch nicht einmal einen schönen Kreis zeichnen“. —> Wenn ich einen Kreis zeichne, ist er nicht so schön rund wie von einem Computer gemalt. Aber hey, es ist ja auch von Hand gezeichnet. Eine Zeichnung von Hand ist niemals so perfekt wie die eines Computers. Im Gegenteil, wenn ich etwas von Hand zeichne, finde ich es doch auch schön, wenn man das sieht. Das macht die Zeichnung persönlicher. Und außerdem muss man es ja auch üben. Wenn ich mir Mühe gebe, wird der Kreis annähernd rund.“

Oder

„Ja, richtig, ich habe noch kein Bild verkauft. Aber was ist denn das für ein Kriterium? Ein Bild ist doch nicht nur gut, wenn man es verkauft. Hauptsache mir oder den Leuten, denen ich es geschenkt habe, gefällt ein Bild. Und jedes selbst gemalte Bild ist ein Unikat. Das ist doch vom Prinzip schon cooler, als sich z.B. einen Kunstdruck bei IKEA zu kaufen.“

Michalko setzt diese Übung übrigens in ein Gerüst und nennt sie „Tick Tock“. Dabei nimmt man ein Blatt und trennt es in zwei Spalten. In der linken Spalte „Tick“ sammelt man die negativen Affirmationen. Auf der rechte Seite kann man dann unter „Tock“ jeder negativen Affirmation gleich die positive gegenüberstellen.

Eine weitere Übung ist die Wiederholung von vielen positiven Affirmationen. Man schreibt einen Satz immer wieder (z.B. 10 Mal) auf, und mit der Zeit verstummt der kleine innere Kritiker. Ernsthaft. Am Anfang lacht man innerlich noch über die waghalsige Behauptung, aber mit der Zeit und jeder Wiederholung wird es normaler. Beim fünften Mal denkt man sich, naja, vielleicht. Und nach dem zehnten Mal resigniert der Kerl. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Was wir uns einreden wird auch irgendwann wahr. Diese Übung beschreibt auch Julia Cameron in „Der Weg des Künstlers“ als Basis in der ersten Woche des Kurses.

Beispielhafte positive Affirmationen könnten sein:

  • Ich bin eine hervorragende Autorin.
  • Ich will kreativ sein.
  • Ich habe viele neue Ideen.
  • Ich mache wunderschöne Fotos.
  • Ich bin stolz darauf, dass ich Neues immer ausprobiere.

Überlege dir einen Satz, den du dir wünschen würdest, dass du diesen selbstbewusst von dir sagen würdest. Worauf würdest du stolz sein?
Und jetzt schreibe diesen Satz per Hand mindestens zehnmal auf. Dabei kannst du beobachten, ob sich in deinem inneren der Kritiker regt.
Mach weiter. Wie fühlst du dich nach den zehn Wiederholungen?
Wiederhole diese Übung an fünf aufeinanderfolgenden Tagen, z.B. direkt morgens einmal. Es bringt wirklich etwas. Probier es aus!

„Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“
Marcus Aurelius

Wir können unsere Einstellung durch positive Gedanken selbst beeinflussen und damit auch positive Wege in unserem Leben ermöglichen.
Und die gute Nachricht: über positive Affirmationen können wir unsere Gedanken sogar ganz bewusst in die von uns gewünschte Richtung lenken.

Jetzt noch eine dritte Übung: Abwandlung der positiven Affirmationen. Wenn es einem zu blöde ist, eine Affirmation zehnmal aufzuschreiben. Oder der innere Kritiker dieser eine beharrliche negative Behauptung entgegenstellt, kann man es durch Abwandlung versuchen. Nimm die ursprüngliche Affirmation und formuliere sie in verschiedene Richtungen um: mit „ich“, „Du“, deinem Namen, etc.

Zum Beispiel:

  • Ich mache wunderschöne Fotos.

Abwandlungen:

  • Du machst wirklich tolle Fotos.
  • Silja ist eine sehr gute Fotografin.
  • Mit meinen Fotos gelingt es mir, eine ganz besondere Stimmung einzufangen.
  • Du bist eine talentierte Fotografin.
    usw.

Wenn man es aus verschiedenen Richtungen hört, klingt es für den Kopf noch glaubwürdiger.
Aber man muss ein bisschen aufpassen, dass man sich nicht zu sehr von der ursprünglichen Affirmation im Thema entfernt. Dann wird man evtl. von dem eigentlichen Thema abgelenkt.
Am besten man sich z.B. für jede Woche eine einzelne Affirmation oder ursprüngliches Thema vor.

Lasst mich schließen mit einem kleinen Kreativitätsmanifesto von Michael Michalko aus “Thinkertoys”:

„We do not choose to be born. We do not choose our parents. We do not choose our historical epoch, or the country of our birth. We do not, most of us, choose to die, nor do we choose the time or conditions of our death. But within this realm of choicelessness, we do choose how we shall live: with purpose or adrift, with joy or with joylessness, with humor or despair, with a positive outlook or a negative outlook. We decide what makes us significant or insignificant. We decide to be creative or to be indifferent. No matter how indifferent the universe may be to our choices and decisions, these choices and decisions are ours to make. We decide. We choose. In the end, our own creativity is decided by what we choose to do or what we refuse to do. And as we decide and choose, so are our destinies formed.“

 

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