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7 Dinge, die ich bei einem Photo Race über Straßenfotografie (in cool: Street Photography) gelernt habe

Am vergangenen Samstag habe ich bei einem “Street Photography” Photo Race in Köln teilgenommen. In den hektischen sechs Stunden habe ich so viel übers Fotografieren und die Kunst der Straßenfotografie gelernt wie sonst vielleicht in einem mehrwöchigen Foto-Kurs. Und das alles umsonst. Ich kann es nur weiter empfehlen: probiere es aus! Mach’ dein eigenes Photo Race zu Themen wie z.B. “Stadtliebe” oder schreib mir, dass du mitmachen möchtest, und wir tun uns zusammen. In diesem Artikel beschreibe ich, was ich über Street Photography gelernt habe und gebe Tipps, wie du es selbst ausprobieren kannst.

Über das Photo Race

Durch Zufall war ich letzte Woche auf ein Photo Race in Köln aufmerksam geworden und nahm spontan am Samstag daran teil. Die Kölner Fotografen Sven Hoffmann und Uli Kreifels hatten hierzu im Rahmen einer kleinen feinen Ausstellung im Bunker K 101 in Ehrenfeld aufgerufen. Jeder durfte mitmachen – also auch Leute wie ich. *lach*

Um zwölf Uhr ein bisschen zusammen gequetscht in einem kleinen Fotostudio in der Südstadt bekamen wir die Aufgabenstellung, zu zwei Begriffen jeweils eine Serie von drei Bildern zu machen. Die Bilder würden dann bis 18 Uhr im Bunker K 101 einzureichen sein. Die zwei Themen lauteten

  • Januarfarben
  • Stadtliebe

Klingt jetzt erstmal nicht so schwierig, aber es wurde doch eine schöne Herausforderung und ganz schön stressig. Ich habe schon lange nicht mehr so viel in so kurzer Zeit (wieder) übers Fotografieren gelernt und natürlich über Street Photography!

Was ist Street Photography, worauf kommt es an und welches sind technische Stilmittel?

Bei der Straßenfotografie oder Street Photography geht es darum, gewöhnliche oder besondere Momente „auf der Straße“ einzufangen oder zu inszenieren. Häufig geschieht das in einer Stadt und draußen im Freien, muss aber nicht sein. Ein „urbanes Flair“ geht schon als Street Photography durch. Was die (meisten) Bilder auszeichnet, ist die Tatsache, dass irgendwelche fremden Menschen im Bild zu sehen sind – meist aber nur flüchtig, um trotzdem anonym zu bleiben. Schließlich soll es kein Porträt einer bestimmten Person sein. Meist sind die Personen dann aufgrund einer längeren Belichtung leicht verschwommen oder es sind nur einzelne Körperteile von Menschen (z.B. ein ins Bild schwingender Arm, eine Schulter, über die man blickt) zu sehen.

Ein paar Tipps, um Straßenfotografie zu lernen und auszuprobieren

1| Nimm dir bewusst ein paar (mind. 3) Stunden Zeit, um eine Fototour durch deine Stadt zu machen

  • Wenn du Street Photography ausprobieren oder lernen möchtest, musst dich erstmal darauf einlassen. Anstatt es im Urlaub oder bei einem Städtetrip zu probieren, würde ich sogar empfehlen es in deiner Heimatstadt zu machen. Warum?  Weil du dann eben schon die speziellen Orte, interessanten Viertel kennst und dich auf jeden Fall wohl und heimisch fühlst. Dann nimm dir ein Thema für z.B. einen ganzen Nachmittag vor, den du dann (alleine) durch deine Stadt ziehen wirst. Wir hatten bei der Photo Race die Themen “Januarfarben” und “Stadtliebe”. Das funktioniert auch in deiner Stadt. Bei “Stadtliebe” habe ich mir z.B. überlegt, was ich an meiner Stadt liebe und dann wo ich das fotografieren könnte. Und als ich an meinen Lieblingsorten war, habe ich dann überlegt, wie ich das Flair dieses Ortes, das mir so gefällt, vielleicht rüberbringen könnte.

Stadtliebe-Brüsseler-Platz-Büdchen

 

2| Setze dir ein Thema – am besten sogar eine Serie

  • Dieses mit dem Thema und der Serie war ein Knackpunkt und Wendepunkt! Tatsächlich, sich ein Thema zu setzen, bringt einen immer weiter in den eigenen fotografischen Fähigkeiten! Es schränkt dich ein: du kannst nicht mehr eben die Art von Fotos machen, die du sonst immer machst. Es zwingt dich umzudenken und deine Umgebung genauer zu betrachten, um irgendwo Hinweise oder Ideen zu finden. Eben diese Farben, Formen, Kontraste zu finden, aus denen du dein Motiv kombinieren kannst. Und wenn man dann eine Idee hat, dann gibt man sich eben mehr Mühe, mit den Einstellungen das Beste dabei rauszuholen, kniet sich hierhin und dort, um eine spannende Perspektive einzunehmen.
    – Der Faktor Zeit ist elementar und oft eine Stellschraube, mit der gerade Anfänger oder Amateure ihre Fotos echt um Welten verbessern können. Nimm dir doch einfach mal Zeit für ein Foto. Stehst du vor etwas, das du fotografieren möchtest, dann nimm dir doch bewusst 10, 15 oder gar 30 Minuten, um nur dieses eine Motiv zu fotografieren. Du wirst sehen: die ersten 10 Bilder werden die normalen Fotos sein, die du immer machst, wenn du was fotografieren willst. Aber danach gehen dir kurz die Ideen aus. Dann wird es spannend! Dann fängst du an, dich umzuschauen. Überlegst, was du denn „jetzt noch“ anders machen könntest. Oder frage dich: Was ist das Besondere an diesem Ort? Was gefällt mir hier besonders? Wie kann ich das irgendwie im Bild zeigen?

Stadtliebe_The-Coffee-Gang-2

 

3| Suche dir kreative Motive und “das besondere Etwas”

  • Ein gutes Foto in der Street Photography entsteht durch eine Kombination aus kreativer Motivwahl, technischem Können und einem Quentchen Glück. Ein gutes Foto muss zwei der drei Dinge erfüllen, ein sehr gutes alle drei. Es hilft also, sich ein Thema zu setzen und dann ein kreatives Motiv zu suchen. Dann muss man natürlich die Kamera beherrschen und irgendwie es technisch speziell umsetzen, z.B. das Passanten leicht verschwimmen. Aber drittens das Glück: Oh, das habe ich auch echt zu spüren bekommen. Diese spezielle Person, die eine Schaufensterpuppe über die Straße trägt, die kommt halt nur ein paar Sekunden und nur einmal an dir vorbei. Da muss man dann schnell sein. Oder eben mit sehr wachen Augen warten und umhergehen, um diese Person, dieses niedliche, ältere Pärchen in der Menge zu entdecken.

Brüsseler-Straße-Büdchen_Stadtliebe

 

4| Wähle einen aussagekräftigen Bildausschnitt – falls nicht sofort, dann später durch das Freistellen und Ausschneiden in der Bildbearbeitung

  • Durch diese „Suche des Besonderen im hektischen Straßenalltag“ bringt einen unter Zeitdruck. Daher ist eine Bildbearbeitung fast immer notwendig. Für die Anfänge würde ich daher vielleicht eher größere Bildausschnitte fotografieren und den Bildzuschnitt am Rechner machen. Außerdem ist eine zentrale Schwierigkeit, das Bild oder zumindest den wichtigen Teil scharf zu kriegen. Ich habe mich für den Anfang konzentriert, ein kreatives Motiv zu finden und dieses scharf einzufangen. Das mit den bewusst verschwommenen Elementen oder Passanten ist dann die nächste Stufe.

Januarfarben_Weidenkätzchen-2

 

5| Verlasse deine Komfortzone und versuche, mal “andere” Bilder zu machen

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Auch beim Fotografieren. Wir alle haben da so unsere Standard-Motive, Standard-Kameraeinstellungen, Standard-Moves, wenn wir fotografieren. Das ist natürlich hilfreich und richtig, denn es hilft uns oft, die gewisse Schnelligkeit an den Tag zu legen. Aber wenn man etwas Neues lernen will, muss man eben auch neue Wege gehen und Dinge ausprobieren, die man sonst noch nicht gemacht hat.

Für mich war das in der Street Photography das Fotografieren von fremden Menschen. Bisher habe ich immer versucht, die Leute aus meinen Stadtbildern herauszuhalten, weil ich irgendwie keine Fremden auf meinen Bildern haben wollte und weil ich natürlich ihre Privatsphäre wahren wollte. Bei der Street Photography ist das Einfangen von Menschen der Stadt jedoch elementarer Bestandteil. Dafür versucht man, die Menschen nicht in den Mittelpunkt zu rücken, sie nicht zu porträtieren, sondern sie z.B. durch Verschwommenheit oder indem man sie von hinten aufnimmt, anonym darzustellen.

Brüsseler-Platz-blau

 

 6| Gehe raus und übe

  • Was mir dieser Tag mal wieder gezeigt hat: Man muss die Dinge selber machen und üben üben üben. Es geht einfach nichts übers selber Machen und Üben. Ich hätte stundenlang über die Techniken in der Street Photography lesen oder flickr und Instagram für Inspirationen durchstöbern können. Aber wirklich lernen und die eigene Fotografie verbessern, tut man nur draußen auf der Straße mit der eigenen Kamera am Anschlag. Ich habe zig verschossene Bilder gemacht. Ich habe zu manchen Ideen für Serien, einfach nicht das dritte Motiv gefunden. Ich hatte diese Idee, dass ich ein Farbfoto machen wollte, das aussieht wie schwarz-weiß, weil der Januartag einfach echt nur grau in grau war. Köln wirkte an dem Tag total grau… aber nein, trotzdem waren überall Farben, die ich vorher einfach nicht wahr genommen hatte.
    Darüber hinaus habe ich genau gesehen, an welchen Stellen ich meine neue Kamera noch nicht verstehe und wo ich nun echt das Handbuch nochmal hervor ziehen muss.

Rheinauhafen_Januarfarben

 

7| Suche Details, die du in Szene setzen kannst

Abends bin ich nach Ehrenfeld geflitzt, um um 18 Uhr tatsächlich zwei Serien mit drei Bildern einzureichen. Auch das war noch einmal eine Erfahrung! Sich wirklich zu entscheiden, welches nun die sechs Bilder sein sollen, war noch einmal ein Denkprozess, zu dem ich mich nach beliebigen Foto-Ausflügen selten zwinge.
Als ich dann die Fotos der „echten“ Kölner Street-Fotografen sah, habe ich noch etwas gelernt:

  • Du musst dich noch mehr disziplinieren, nur ein Motiv, ein Detail des Motivs herauszugreifen und in Szene zu setzen. Fast alle Bilder der Fotografen waren so ruhig und großteilig. Wenn man einfach mit 35 mm aufs Stadtbild hält, bekommt man zwar den diffusen Geschmack der Stadt zu spüren, aber es ist eben zu unruhig, zu viel, und dann insgesamt nicht so aussagekräftig. Stattdessen muss man sich echt disziplinieren, nur ein Detail herauszugreifen und dies dann mit möglichst großer Auflösung festzuhalten und später am Computer mit den Farben zu spielen und den spannendsten Bildausschnitt zu wählen.

Chlodwigplatz_Januarfarben

 

Fazit für mich: es war ein beeindruckender Nachmittag, an dem ich extrem viel übers Fotografieren, meine Kamera, mich selbst und die Kunst der Straßenfotografie gelernt habe. Und es ist so einfach und kostenlos!
Ich kann nur jeden nur ermutigen, es auch zu probieren.
Die oben genannten Themen sind universell und funktionieren auch in deiner Stadt. Nimm dir einen Samstag Nachmittag, starte um 12 Uhr und schwöre deinem/r Partner/in oder deinen Freunden, ihnen abends um 18 Uhr zwei Serien mit jeweils drei Bildern zu präsentieren.

Januar-/Februar-/etc.-Farben & Stadtliebe

Oder schreib mir einfach per e-mail, Facebook oder unten als Kommentar, dass du Lust auf ein Photo Race hättest. Wenn hier ein paar Interessierte zusammen kommen, können wir unser eigenes Photo Race an einem Samstag machen und die Fotos hier austauschen. Nur zu! Trau dich!

Liebe Grüße
Silja

2 Comments

  • Sven Hoffmann

    Hi Silja,

    schön, dass dir unser Photo Race so gefallen hat. Und tatsächlich sind es Erfahrungen wie deine, die auch wir bei unseren ersten Foto-Events gemacht haben: Mit einem oder mehreren Themen und einem (eigentlich großzügigen) Zeitlimit öffnet ein Photo Race die fotografischen Augen. Es zwingt dich zur Konzentration. Und plötzlich ist die Stadt voll von Menschen und Geschichten, von Farben und Formen. Und man merkt auch schnell, wann ein Foto spannend wird statt beliebig. Der Ausschnitt, die Perspektive, das Spiel mit der Schärfe werden auf einmal wichtig. Und uns war übrigens auch wichtig, dass wir abends alle Fotos wieder Beamer gezeigt haben. Um zu sehen, was die anderen Teilnehmer aus der Aufgabenstellung gemacht haben. Wir hoffen, dir hat auch das gefallen.

    Danke dir für diesen tollen Artikel! Er zeigt uns, dass wir schon bald ein weiteres Photo Race in Köln starten sollten.

    Liebe Grüße aus der Südstadt,, Sven

    • Silja

      Hi Sven,

      vielen Dank für deinen Besuch auf meinem Blog und deinen Kommentar. Ja, genau das hat mir euer Photo Race echt gezeigt. Ich habe total viel Spaß gehabt und natürlich eine Menge gelernt. Dann hoffe ich mal, dass es bald wieder einen Race gibt! Ich bin gern wieder dabei.
      Liebe Grüße
      Silja