Warum Kinder malen, warum sie aufhören und was wir als Erwachsene davon lernen können
Ich finde es total faszinierend, Kindern beim Malen zuzusehen. Wie sie da total in sich verloren bunte Linien aufs Papier drücken und dann manchmal einen juchzenden Freudenschrei von sich geben, weil sie so entzückt sind, was sie da fabriziert haben. Manchmal lächeln sie beim Malen in sich hinein, manchmal wird die Zungenspitze gegen die Oberlippe gelegt, so konzentriert sind sie.
Aber warum malen Kinder eigentlich so gerne? Warum ist Kreativität für Kinder wichtig für ihre Entwicklung? Und wann und warum hören sie auf, habe ich mich gefragt und mal ein bisschen recherchiert und mir meine eigenen Gedanken zu meinen Beobachtungen bei meinen eigenen Kindern gemacht.
In welchen Entwicklungsstufen Kinder malen und was dahinter steckt
Zunächst einmal ist für Kinder das Malen (und Zeichnen) ein Bestandteil ihrer Entwicklung – insbesondere vom Kleinkind- bis ins Grundschulalter.
Meist beginnen Zweijährige mit dicken Stiften oder Wachsmalkreiden Striche oder grob schraffierte Flächen aufs Blatt zu bringen. Sie erfreuen sich an den bunten Farben, die sie so auf dem Blatt produzieren. Mit der Zeit lernen sie andere Formen, schließlich Kreise zu zeichnen – meist im Alter von ca. drei bis vier Jahren. (Eins meiner Kids ist gerade in diesem Alter und die „Kreise“ sind ganz für sich schon so süß, da ihre große Herausforderung noch gar nicht mal das „Runde“ ist, sondern dass die gekrümmte Linie am Ende auch wieder den Anfang trifft. Herrlich!)
Wenn der Kreis geschafft ist, ist das ein großer Entwicklungssprung in der Feinmotorik. Es gibt den Kindern in den folgenden Jahren die Möglichkeit, aus diesen Formen Menschen oder Dinge zu formen. Aus einem Kreis wird eine Sonne oder ein Kopf – je nachdem wie man die nächsten Striche um den Kreis herum anordnet. Nun können die Kinder einfache Konstrukte oder Objekte aus ihrem Alltag aufs Papier bringen: ihre Familie, ein Haus, ein Auto (oder ein Bagger und Fußballfelder im Falle meiner Söhne).
Im Grundschulalter „bauen“ die Kinder aus diesen Objekten dann Bilder nach, die sie im Kopf haben: Motive, die sie oft sehen (Haus mit Garten) oder Szenen, die sie erlebt haben. Und wenn sie eine große Fantasie haben, oder Geschichten gehört haben, können sie zu diesen dann neue Bilder entwerfen. Jetzt sind sie wirklich kreativ tätig, denn sie können die Bilder, die sie im Kopf erschaffen, auf Papier zaubern. Und sie können ihre Gefühle einfließen lassen in die Farben oder Formen.
Warum ist das Malen so wichtig für die Entwicklung unserer Kinder?
Was steckt nun dahinter? Tatsächlich eine ganze Menge. Ohne Frage lernen Kinder in diesen ersten Lebensjahren wahnsinnig viel! Das Malen ist einerseits Fähigkeit selbst und andererseits unterstützt es auch viele andere Entwicklungen.
Malen und Zeichnen fördert die Feinmotorik – keine Überraschung, aber wichtig! Mit den Fingern der Hand einen Stift halten und dann die Hand kontrolliert über das Papier zu bewegen, ist eine große Leistung für die kleinen Kinderhände. Sobald Kinder ein Ausmalbild anmalen, müssen sie genau hinschauen, wo sie malen und dies dann in die Bewegung der Hand übertragen. Das schult die Auge-Hand-Koordination. Aber auch später ist die Koordination zentral, denn beim Zeichnen eines Motivs sagt man tatsächlich, dass man 80% der Zeit auf das Motiv und nur 20% auf das, was man zeichnet, schauen sollte.
Auch die kognitive Entwicklung wird durch das Malen unterstützt: Beim Malen werden im Gehirn viele Funktionen geschult: visuelle Wahrnehmung, das Gedächtnis, Planung (von Schritten oder Objekten auf der Seite), aber auch Dinge wieder zu erkennen und einordnen zu können (Symbolismus). Des Weiteren ist das Zeichnen eine eine Vorstufe des Schreibens, denn die Feinmotorik und die Darstellung von geformten Linien oder Kreisen ist essentiell für das spätere Formen von Buchstaben und die Fähigkeit, gleichmäßige und wiedererkennbare Buchstaben zu zeichnen.
Und es geht noch weiter! Es heißt (und ich kann das bestätigen!), das Malen kann Kinder beruhigen und helfen, Emotionen zu verarbeiten. Zusätzlich fördert es die Konzentrationsfähigkeit. Ich habe schon oft erlebt, wie meine lebhaften Kinder (und ihre Gäste) beim gemeinsamen Malen am großen Tisch ruhiger wurden. Kinder konzentrieren sich auf das, was sie da auf das Papier bringen. Überleg mal, wie oft hast du dein (oder generell ein) Kind beim Malen die kleine Zungenspitze an die Lippen legen sehen? Ich sehr oft! Tatsächlich versuche ich manchmal meine dreijährige Tochter „in ein Bild zu verwickeln“, also sie zum Malen an den Tisch zu setzen, damit ich dann kurz Ruhe habe, um etwas im Haushalt zu erledigen oder um den Brüdern vorlesen zu können.
Zudem kann man beim Malen Erlebtes verarbeiten. Kinder im Kindergartenalter können noch nicht lesen – und sowieso erfahren und erlernen sie die ganze Welt um sie herum gerade erst. In ihren Bilder können sie zeigen, was sie entdeckt haben. Letzte Woche hat meine Tochter ein paar tolle Bilder gemalt – im Grunde genommen sind es ein paar Flächen und Kreise. Wie gesagt, sie ist drei Jahre alt. Aber wenn man die Kinder fragt, was sie gemalt haben, erfährt man, was das für sie ist, was sie gesehen haben und nun darstellen wollten. Bei meiner Tochter ist eine blau schraffierte Fläche eine Badewanne, eine weitere blau schraffierte Fläche mit einem geknickten Strich ein Waschbecken mit Wasserhahn, und ein großer Kreis mit mehreren kleinen Kreisen drum herum sind ein Tisch mit Stühlen.
Zu guter Letzt darf die Fantasie in dieser Liste nicht fehlen! Was wären unsere Kinder bloß ohne sie?! Zugegeben, dies beginnt meist erst ab dem Vorschulalter, kann dann aber für viele Jahre (und bei mir bis heute!) zum Malen motivieren. Jeder von uns hat Bilder im Kopf. Es ist so ein schönes Gefühl, sie auf Papier zu bringen, sie festzuhalten oder sie zeigen zu können. Und witzigerweise, je mehr man diese Bilder zulässt und selbst Bilder malt, desto mehr Bilder entstehen auch. Je häufiger ich male, desto offener werde ich zum Beispiel auch im Außen und nehme mehr wahr – was ich dann wieder irgendwo in einem Bild festhalten will. Es ist so eine Art sich selbst verstärkende kreative Ausdrucksweise.
Es gibt noch mehr Nutzen, und auch wissenschaftlich fundierte – nicht nur solche, die ich bei mir und meinen Kindern selbst beobachtet habe. Wenn’s dich interessiert, schau gerne hier weiter. Aber auch wenn wir uns wohl alle einig sind, dass Kinder beim Malen so viel Freude zeigen und wir uns auch mit Freude ans Malen als Kinder erinnern, warum malen denn dann so viel weniger Erwachsene, warum hörten die meisten von uns als Kinder wieder mit dem Malen auf?
Warum Kinder mit dem Malen aufhören
Tatsächlich ist es so, dass viele Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren mit dem Malen aufhören. Und ich habe mal ein bisschen versucht herauszufinden, warum das so ist.
Manchmal heißt es, dass es Kinder demotiviert, wenn sie von ihren Eltern nicht mehr die gleiche Wertschätzung für ihre Werke erhalten wie vielleicht im Kleinkindalter. Mal übertrieben am Beispiel meiner Tochter gezeigt: wenn sie in 10 Jahren immer noch eine blau schraffierte Fläche mir lächelnd als „Badewanne“ unter die Nase hält, werde ich wahrscheinlich nicht mehr so erfreut und angetan sein. Auch in der Schule lernen die Kinder, dass andere Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Mathematik als wichtiger angesehen werden. Und natürlich wollen sie diese „wichtigen Fähigkeiten“ lernen. In dem Alter können die Kinder schreiben und haben so eine neue Möglichkeit, sich (oft sogar deutlicher) kreativ auszudrücken und Geschichten zu erzählen. Hierfür brauchen sie das Malen nicht mehr. Oder sie haben einfach andere Dinge im Kopf. Für Kinder gibt es so viel zu lernen und zu entdecken. Da ist ja klar, dass man nicht für Alles Zeit haben kann. Es gibt noch Fußball, Flöte, Tanzen usw. Ich kann verstehen, dass die Aktivitäten, die sie mit ihren Freunden gemeinsam machen können, noch reizvoller sind, als allein an einem Tisch – und dann auch noch still – zu sitzen.
Doch was mich wirklich traurig macht, ist, wenn mir jemand sagt, „ich bin nicht kreativ, ich kann nicht malen“ – und wenn dann im Gespräch herauskommt, dass diese Person als Kind von einer erwachsenen Bezugsperson derart deutlich gesagt bekommen hat, „sie sei nicht kreativ und könne nicht malen“, dass sie die Freude am Malen verloren hat. Manchmal sieht man dann der Person an, wie traurig diese selbst darüber ist. Noch heute, Jahre später! So ein bisschen bedrückt, manchmal resigniert, verletzt, manchmal ist das auch ein „Verteidigungsspruch“, mit dem man sich rechtfertigt, wenn ein Bild „nicht so schön“ geworden ist. Und oft spüre ich bei dieser Person, dass sie es selbst total traurig findet, dass sie nicht (mehr) malt, sondern sich eigentlich tief im Inneren vielleicht wünscht, sie würde noch malen oder dass sie es hätte weitermachen und besser lernen sollen.
Das macht mich echt beinahe wütend. Wir dürfen als Erwachsene nicht diese kreative Ader eines Kindes derart krass bewerten. Ein Kind (oder die kreative Seite eines Kindes) ist so leicht beeinflussbar. Und überleg mal, was diese Person da kaputt gemacht hat! Und wofür? Was hatte diese Person denn davon? Gar nichts! Aber die Gefahr, dass ein Kind die Freude am Malen verliert, ist groß und der Verlust auch. Da wird der Mut genommen, Neues auszuprobieren und etwas zu lernen, selbst wenn die ersten Schritte wackelig sind. Da wird das kreative Selbstvertrauen kaputt gemacht, dass man mit den eigenen Händen etwas erschaffen kann, was vorher nicht da oder nicht sichtbar war. Da wird dieser kindliche Spieltrieb, etwas einfach nur so zum Spaß aus reiner Freude zu tun, für falsch abgestempelt. Und dabei ist dieses „einfach nur so zum Spaß“, das Spielen, diese große Versenkung, die reine Freude an etwas, etwas, das wir als Erwachsene in unserem erwachsenen Alltag so sehr vermissen.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum wir als Erwachsene dann so fasziniert einer Dreijährigen zuschauen beim Malen und uns daran erfreuen, wenn wir bei ihr diese Freude sehen können. So wie ich bei meiner Tochter.
Was wir als Erwachsene daraus lernen können
Zusammengefasst: Malen ist ein wichtiger Entwicklungsschritt in der kindlichen Entwicklung und schult die Feinmotorik, dient als Vorstufe für das Schreiben, hilft der Entwicklung vieler kognitiver Fähigkeiten, fördert die Fantasie, das Vorstellungsvermögen und die Kreativität und ermöglicht dem Kind Selbstwirksamkeit zu erfahren und Erfolgserlebnisse durch das eigene Schaffen zu erleben. Und es hilft zu entspannen und fördert die Konzentrationsfähigkeit.
Die Frage ist da vielmehr, wie können wir Kinder ermutigen, niemals aufzuhören mit dem Malen? Und ob, wenn man als Kind aufgehört hat zu malen, es sinnvoll ist, wieder mit dem Malen zu beginnen.
Kinder ermutigen zu malen und kreativ zu bleiben
Ich möchte dir hier zwei Aspekte mit an die Hand geben: wenn du Kinder hast, fördere ihre kreativen Tätigkeiten durch das Bereitstellen von vielen, unterschiedlichen Materialien, durch positiven Zuspruch und indem du vielleicht selbst sogar mit machst. Dann kannst du dich selbst von der Freude deines Kindes anstecken lassen und kannst selbst „einfach mal wieder spielen“.
Und der zweite Aspekt ist: wenn du Kinder hast oder kennst, bewerte ihre kreativen Werke nicht – vor allem nicht negativ! Du musst auch nicht jede blau schraffierte Badewanne in den Himmel loben oder an den Kühlschrank kleben. Wichtig ist natürlich schon, dass du ehrlich bist – das merken sonst Kinder auch. Ich sage zum Beispiel Sachen wie „hey, ich kann sehen, dass du da ganz viel Freude hattest!“ oder „Wow, das war bestimmt anstrengend“ oder „du hast aber viele Farben benutzt“. Wichtig ist ja auch der Ton dabei. Das hängt natürlich auch vom Alter und Motiv der Kinder ab. Ich kenne auch Mamas, die mir Fotos von den Bildern ihrer Kinder zeigen und (zu Recht) total begeistert sind von den Werken ihrer Kinder. Das darfst du natürlich auch immer zeigen! Ich lobe meine Kinder auch, aber mir ist es auch wichtig, dass ich den Prozess in den Vordergrund stelle und nicht das Ergebnis, damit sie nicht malen, damit sie mit dem Ergebnis mir eine Freude machen.
Ich möchte versuchen, dass mein Kind sich nicht von meinem Urteil abhängig macht, sondern es für sich selbst tut. Aber wie man Kinder loben sollte, soll hier nicht Thema sein – und ist ein ganz anderes Thema für sich. Auf keinen Fall sollte irgendein Kind aufhören mit dem Malen aus Freude, weil wir als Erwachsene seine Kunst schlecht gemacht hast und es sich vielleicht geschämt hat.
Als Erwachsene (wieder) mehr malen oder mit dem Malen beginnen
Was für Kinder und ihre Entwicklung extrem gut ist, kann auch für dich als Erwachsene nicht schlecht sein. Im Ernst, okay, deine Feinmotorik ist wahrscheinlich gut, aber vielleicht ist sie sogar nicht mehr so gut wie früher, als du noch nicht den lieben langen Tag auf die Computertastatur gedrückt oder den Handybildschirm gewischt hast?
Kognitive Fähigkeiten und Konzentrationsfähigkeit zu trainieren, ist in jedem Alter sinnvoll. Die eigene Kreativität zu fördern, bringt dich selbst auch in anderen Bereichen auf neue Ideen und Impulse und kann so dich bereichern oder Lösungen bringen, die du gesucht hast. Und natürlich das ganze Thema Entspannung und Freude! Hey, muss ich dazu noch was sagen? Wer von uns sehnt sich denn nicht danach, einfach mal vom Alltag abzuschalten, sich zu entspannen, das Gedankenkarussell im Kopf zu entschleunigen und dann einfach nur in der Zeit abzutauchen und einfach nur aus Spaß und mit tiefer Freude etwas zu tun.
Egal, ob du regelmäßig zeichnest, ob du richtig gut bist, oder ob du als Kind aus welchen Gründen auch immer aufgehört hast oder vielleicht sogar denkst, du hättest kein Talent zum Malen. Heute ist heute. Und du kannst immer damit anfangen oder es wieder beginnen.
Einfach nur so. Aus Spaß, zur Freude, zur Entspannung und für dich!
Deine Silja
P.S. Wenn du eine Idee brauchst, was du wirklich jetzt einfach malen könntest, dann schau dir diesen Instagram-Post von mir von heute an. Da sind 7 einfache Motivideen, wie du eine Karte zum Valentinstag gestalten kannst und – nur wenn du magst – dann sogar deinem Liebsten Dienstag geben kannst.