Kreativität,  Leben

Was mich das Laufen über das Zeichnen gelehrt hat

Ich laufe gern. Tatsächlich bin ich gerade in der Trainingsphase uns will in 10 Tagen meinen ersten Marathon laufen. 

Wie ist es bei dir? Magst du laufen, vielleicht weil es so einfach ist, du es jederzeit tun kannst, ohne Mitglied irgendwo zu sein, einfach vor deiner Haustür zu starten?

Oder gehörst du zu den Menschen, die einfach den Kopf schütteln, bei dem Gedanken, mehr als 30 Minuten am Stück oder gar Strecken wie 10 km oder mehr zu laufen, weil es sich einfach langweilig, unnütz und anstrengend anhört? 

Ich liebe das Laufen, weil ich da an der frischen Luft bin, in der Natur, meinen Körper auspowere und den Kopf frei bekommen kann. Nach einem Lauf bin ich immer glücklicher als vorher. 

Bei wie vielen Aktivitäten des Tages kannst du das am Ende sagen?

Laufen ist eine Metapher fürs Zeichnen: man muss sein eigenes Tempo finden

Bei meinem letzten Lauf ist mir klar geworden: Laufen ist eine schöne Metapher fürs Zeichnen. 

Laufen dauert relativ lang. Es ist nicht wie ein Workout, wo man sich für ein paar Minuten durch eine Kraft- oder Halteübung quält, der Puls hoch schießt und man sich dann über die Pause im Anschluss freut. Nur noch 10, 20 Sekunden durchhalten, dann hab ich’s geschafft. Nein, so funktioniert es beim Laufen nicht. 

Beim Laufen muss man ein Tempo finden, das zwar einen fordert, sich aber auch so gut anfühlt, dass man dieses Tempo über längere Zeit durchhält. 

Man muss den Prozess, den Lauf an sich genießen können, damit man die Strecke schafft. 

So ist es auch beim Malen. Der Prozess ist wichtiger als das Ergebnis. Zumindest wenn man Malen oder zeichnen noch lernt. Aber ich habe auch in einem Podcast Interview mit dem Künstler XX gehört, dass es ihm im Grunde genommen nur um den Prozess des Schaffens geht – und er arbeitet für Ausstellungen in New York, Shanghai, usw.

Es ist wichtig, so zu zeichnen wie es einem Freude bereitet. Zeichnen oder Malen Lernen darf anstrengend sein, aber einen nicht überfordern. Denn man muss durchhalten. Deswegen sage ich immer, finde ein Motiv, eine Technik, die dir Freude bereitet, denn nur wenn du Spaß hast, machst du es wieder. Und wenn du es immer wieder tust, dann wirst du immer besser werden. 

Genau wie beim Laufen braucht man auch beim Zeichnen Geduld. Und wirklich gut wird man nur über die Übungseinheiten, immer wieder die gleichen Dinge zu wiederholen.

Malen und Zeichnen sind ein Dauerlauf. Jede Trainingseinheit bringt Spaß, gibt dir ein gutes Gefühl, aber die Fortschritte wirst du erst über Wochen oder gar Monate wirklich sehen können.

Andererseits wenn du einmal fitter im Laufen oder besser und technisch versierter im Zeichnen geworden bist, geht dir das nie mehr verloren. 

Unbewusst überschreitet man Grenzen – und geht nie wieder zurück

Das war wirklich ganz spannend für mich letzten Dienstag zu erkennen. Ich bin eine Tempo-Dauerlauf-Einheit gelaufen. D.h. ich bin eine relativ lange Strecke in einem für mich schnellen Tempo gelaufen. Es war laut meinem Laufplan die letzte „harte“ Einheit vor dem Marathon nächste Woche. Und es waren 17 km in diesem schnellen Tempo (plus 2 km Ein- und Auslaufen). Tatsächlich bin ich die gesamten gut 19 km sogar noch schneller gelaufen, als ich hätte müssen – und ich habe es gar nicht gemerkt! Natürlich habe ich es auf meiner Laufuhr gesehen, aber in meinem Körper hat es sich wie ein langsameres, weniger anstrengendes Tempo angefühlt!

Vor genau einem Jahr bin ich zum allerersten Mal 20 km in einem Trainingslauf gelaufen. Vor einem Jahr trainierte ich für meinen ersten Halbmarathon. Ein Halbmarathon hat 21,1 km. Ich war noch nie eine so lange Strecke gelaufen in meinem Leben. Und ich musste wirklich in einem Training ein Mal diese 20 Kilometer laufen, um mir zu zeigen, dass ich das könnte. Wirklich, ich hatte mir davor in meinem Kopf nicht vorstellen können, dass ich 20 Kilometer am Stück würde laufen können. Ich hatte ernsthaft eine mentale Grenze in meinem Kopf. Ich habe sie genau gespürt – aber auch gewusst, dass diese Grenze nur in meinem Kopf ist. Deswegen wollte ich unbedingt vor dem Halbmarathon-Termin diese Grenze einmal schaffen. Denn dann würde ich auch den Halbmarathon schaffen, dachte ich mir. Und so habe ich meinen Trainingsplan so gestaltet, dass ich ca. zwei Wochen vor dem Termin das erste Mal 20 Kilometer gelaufen bin.

Jetzt, ein Jahr später ist mein Ziel die doppelte Distanz zu schaffen wie letztes Jahr. Die Doppelte! Der Marathon ist ja 42,2 km. Ist schon ein bisschen verrückt, wenn ich das hier lese. Aber ich habe in den letzten Wochen daraufhin trainiert. Bin immer weitere Strecken gegangen, habe mein Tempo verbessert. Aber man läuft in der Vorbereitung nie die gesamte Strecke von 42 km, da das zu anstrengend wäre für den Körper. Und außerdem, ich bin berufstätige Mama von drei Kids hätte ich keine Zeit für solch lange Trainingseinheiten.

Man trainiert daher Einheiten von 20 bis 30 km, wobei man schneller läuft als man später beim Marathon-Rennen laufen wird. Wenn man dann am Wettkampftag langsamer läuft, hat man mehr Kraft und kann eine längere Distanz laufen. So die Theorie für einen Laien wie mich. 😉

Was jetzt aber das Witzige und Spannende ist: bei meinem letzten Lauf bin ich ja knapp 20 km gelaufen und noch viel schneller als ich gefühlt hatte. Meine Perspektive hat sich in diesem Jahr komplett gewandelt. 20 Kilometer fühlen sich für mich überhaupt nicht mehr so weit an. Ich weiß genau, dass ich immer 20 Kilometer laufen könnte – wahrscheinlich sogar ohne großes Training. Ich habe eine mentale Grenze geknackt und meinen Körper für eine Tätigkeit so trainiert, dass mir dieses Wissen immer bleiben wird. 

Ich weiß genau, welche Trainingseinheiten ich brauche, ich kann abschätzen, wie schnell ich gerade laufe. Ich kenne meinen Körper besser. 

Und das alles habe ich so nebenbei gelernt. 

Genau so ist es beim Malen auch! 

Du malst und zeichnest und machst mal diese Übung mal jene. Und vielleicht siehst du nicht jedes Mal einen Fortschritt. Mal bist du überrascht, wie cool dein Bild geworden ist – und beim nächsten Mal bist du enttäuscht, weil das Bild nicht so ein Kracher geworden ist und du zweifelst, ob du überhaupt besser wirst.

Zeichnen, Malen und Kunst schaffen sind ein Dauerlauf. Nur durch die stetige Übung wirst du besser. Aber wenn du stetig übst, ist die Verbesserung deiner Fähigkeiten beinahe unumgänglich. 

Dabei knackst du immer mal wieder eine Schwelle – oft sogar eher unbewusst. Plötzlich hast du verinnerlicht, wie Perspektive, Licht und Schatten oder Proportionen funktionieren. Wenn du einmal eine solche Schwelle überschritten hast, wird dir dieses Wissen immer bleiben. Du kannst nicht mehr zurück und nicht sehen, wenn eine Perspektive falsch ist.

Im Englischen gibt es einen Begriff dafür, den ich mag: „Expanding your capacity“. Erweitere deine Kapazität – erweitere deinen Raum von Erfahrungen und Fähigkeiten. Sprenge deine Grenzen. Wachse über dich hinaus. Wachse – ganz Allgemein. Wachse und entwickle dich in deiner Persönlichkeit weiter. Denn jedes Mal, wenn wir eine bewusste Grenze überwinden, macht das was mit uns. 

Genauso wie jedes Mal, wenn du aufgibst, eine Sache, die du zugesagt hast, nicht einhältst. Das macht so kleinen Stich in deinem Selbstbewusstsein und dein innerer Kritiker meckert „siehst du, schon wieder! Du bist einfach unpünktlich.“ 

Aber wenn du eine große Grenze überschreitest, mit Übung und Training, mit Anstrengung im Vorfeld, das geht in die andere, die gute Richtung. Du nimmst wahr, was du kannst! Und dass du mehr kannst, als du dachtest. 

Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als ich letztes Jahr den Halbmarathon geschafft habe. Ich wusste nämlich genau, dass ich noch wenige Wochen vorher davon überzeugt gewesen war, ich könnte nicht so weit laufen. Und dann habe ich es doch geschafft und mir selbst bewiesen, dass mehr in mir steckt, als ich geglaubt hatte. 

Das kann man auf so viele Bereiche im Leben übertragen. Ich habe kürzlich einen Satz gelesen:

If you can dream it, you can do it. 

Wenn du es träumen kannst, kannst du es schaffen. 

Was wäre so ein Traum, den du immer schon hattest? 

Wenn du an deine kreative Seite denkst. Was ist etwas, das du wirklich gern können würdest? Oder – wenn du Lust hast – ich inspiriere dich auch gerne zum Laufen oder Sport machen. 

Auch hier sind sich Zeichnen und Laufen sehr ähnlich: der Anfang ist ganz einfach. Du brauchst es nur zu tun – und zwar in ganz kleinen Schritten. 

Wenn du laufen willst, ziehe dir Sportschuhe an und geh los. Schon 5 Minuten sind ein Anfang! 

Wenn du zeichnen willst, nimmt dir Zettel und Stift zur Hand und fang an zu kritzeln, ein Muster zu malen oder ein einfaches Objekt abzuzeichnen. Nimm die Technik, auf die du Lust hast.

Wenn du genauere Inspiration oder einen Schritt-für-Schritt Guide für Anfangen mit dem Zeichnen wünscht, kannst du dich hier für meinen wöchentlichen Kreativ-Newsletter eintragen und dir mein Workbook „Einfach Zeichnen Anfangen“ herunterladen.

No excuses! 

Denn „expanding your capacity“ ist ein tolles Gefühl! 

Auf die nächste Grenze, die wir überwinden!

Silja

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